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FAUST Charles Gounod

Conductor Olivier Pols

Director Michael Sturm

Co-director, stage & costume designer Matthias Engelmann

Choreographer Stefanie Erb

 

Pfalztheater Kaiserslautern 2018

Die Anatomie von Gut und Böse

Erlöst oder gerettet wird hier niemand. Der Erlöser selbst sinkt am Ende erschöpft nieder, ratlos hinter der toten Marguerite und neben dem entseelten Faust. Das keineswegs entmachtete Böse - als Mephisto - hat sich nur mal kurz aus dem Hörsaal des Lebens verdrückt. Eine Partie ist verloren, aber noch lange nicht das Spiel. (…) Dass Gut und das Böse, Christus und der Teufel, untrennbar sind, zwei Seiten der Schöpfung, wird durchaus deutlich - erfreulicherweise mit den Mitteln des Theaters und nicht durch den erhobenen Zeigefinger oder eine wie auch immer geartete Stückzertrümmerung. Und so wechselt die Drehbühne von einer Art in die Jahre gekommenen Anatomie-Hörsaal auf die andere Seite des Lebens.

Wiewohl man am Ideenreichtum der aus dem Vollen der europäischen und nicht nur deutsch- sprachigen Kulturgeschichte schöpfenden Inszenierung durchaus seine helle Freude haben kann. Weil alles aufs Beste zusammen passt. Beginnend mit den eingangs und zu Beginn des dritten Akts gelesenen Versen aus John Miltons „Paradise Lost“, einem epischen Gedicht, das die Geschichte vom Höllensturz der gefallenen Engel, von Verführung und Sündenfall erzählt. Dann wäre da das wie aus den Faust-Illustrationen von Eugène Delacroix entsprungene schwarz beflügelte „Höllen-Personal“, zu dem auch Marthe und Wagner gehören, angeführt vom elegant befrackten Mephisto. Von Schöpfung (und Verführung) erzählt auch das berühmt-berüchtigte Gemälde vom „Ursprung der Welt“, das Gustave Courbet 1866 malte. Dessen Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte stehen aber auch genauso für unterdrückte Begierde, Scham, Scheinheiligkeit, weshalb der junge Siebel es hier erst einmal durch den Vorhangschlitz betrachtet, um dann im wahrsten Sinne des Wortes aus der Kutte zu springen, in der Marguerites Bruder Valentin schon steckt. (…) Der auch für die Kostüme verantwortliche Bühnenbildner Matthias Engelmann steckt den Chor in Gewänder, die an historische Fotos aus den psychiatrischen Anstalten erinnern, in denen die Opfer des ersten Weltkrieges dahinvegetieren, als „Gueules cassées“ mit zerschossenen Gesichtern und zerstörten Seelen: Opfer Satans auch sie. Der trägt diesmal, nicht von ungefähr, auch Hoffmanneske Züge, womit wir bei Gounod, seinen Librettisten und der deutschen Romantik wären: Mephisto als Verwandter Coppelius und den anderen Bösewichtern aus „Hoffmanns Erzählungen“, Marguerite als Schwester der Puppe „Olympia“, ein Kunstgeschöpf aus Mephistos Hexenküche, eine Marionette wie die anderen, der keine Juwelen, sondern ein Herz und Liebe geschenkt werden. Und das lässt die teufliche Versuchsanordnung aus dem Ruder laufen… (...)

- Die Rheinpfalz -

Nosferatu trifft Rocky Horror

Publikumsreaktionen zur Premiere

„Mitreißende Musik, toller Gesang, vor allem vom Chor“, schwärmt Roman Köhl. Minuten nach dem Schlussapplaus war er noch nicht ganz „runtergekommen und räumte noch einigen Bedarf zum Nachdenken ein. Spontan hatte sich im Bekanntenkreis die Frage erhoben über das Umfeld, in dem Mephisto und Faust sich bewegen: Psychiatrie oder Anatomie?

„Eine Mischung aus Nosferatu und Rocky Horror Show“ hatte Hans Trinkaus erlebt. Eine Einschätzung die, wie er ausdrücklich betont, durchaus positiv gemeint sei. Die Musik? „Genial.“ Die Inszenierung? „Es muss nicht immer altbacken inszeniert werden.“

Eine „wirklich gelungene Aufführung“ bilanzierte Wolfgang Schumacher. „Gut und Böse, Tod und Teufel, Segen und Fluch - darum geht’s.“ Das Bühnenbild - unter anderem mit Gustave Courbets „Ursprung der Welt“ - sei für ihn am Anfang überraschend, dann aber stimmig gewesen.

- Die Rheinpfalz - 

 

Faust im Hier und Heute

Gänsehautmomente. (…) Das alles in einem Bühnenbild auf der Drehbühne des Pfalztheaters, das wie die Geschichte, zwei Seiten hat: Das Leben, dargestellt mit dem 1886 von Gustave Courbet gemalten und zur damaligen Zeit „skandalösen“ Gemälde „Ursprung der Welt“, und der Tod, der als Hörsaal der Pathologie optisch das Ende des Lebens aufzeigt. Ein Gesamtwerk, das ebenfalls das Prädikat „absolut sehenswert“ verdient.

- Wochenblatt -    

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