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LOHENGRIN Richard Wagner

Conductor Myron Yusypovych

Directors Michael Sturm & Matthias Engelmann

Stage & costume designer Matthias Engelmann

 

Lviv National Opera 2018

Ein Traum von Freiheit

Die Oper in Lemberg zeigt seit Jahrzehnten mal wieder eine Wagner-Oper – mit großem Erfolg

Auch wer kein Ukrainisch spricht, wird leicht erraten, was die Frauen in ihren Betten lauter und lauter skandieren: „Nie sollst du mich befragen!“ Zur Ouvertüre führen Sie dann in ihren grünen Zwangsjacken ein Abendritual durch, bevor sich jede zum Träumen ins Bettchen legt. Die eine Hälfte hat feuerrote Haare – das ist natürlich die Partei von Ortrud. Die Elsas tragen blaugrünes Haar. Und die ganze Gummizelle, in der sie leben, ist bis oben hin mit grünen Matten belegt. Dieser optisch sehr attraktive „Lohengrin“ ist eindeutig grün.

Wenn man zur ersten Wagner-Premiere seit Jahrzehnten nach Lemberg/Lwiw reist, sollte man nicht mit einer ukrainischen Lesart rechnen – das Regietheater ist auch dort angekommen. Der Bühnenbildner Matthias Engelmann hat die Werkstätten dazu gebracht, einmal auf die gewohnten bemalten Sofitten zu verzichten und stattdessen drei Wände zu bauen.

(...) Die ebenfalls von Engelmann entworfenen Kostüme sind liebevoll und detailreich ausgeführt: Der Heerrufer kommt als Entertainer im schwarzen Glitzerfrack und der rosa bestrumpfte König Heinrich scheint einer Offenbach-Operette entsprungen: Wenn er „der Ungarn Wut“ beschwört, tupft er sich mit seinem riesigen, weißen Taschentuch nervös die Stirn. Auch die Aufrufe ans deutsche Schwert und deutsche Land stören bei diesem Roi Carotte niemanden.

Als Erste erwacht Ortrud. Hinter ihrem Bett zieht sie als ihren Verteidiger einen Samurai in Prachtrüstung hervor. Elsa hat weniger Glück: Der Schwan, der in Trenchcoat und mit Koffer aus dem Zuschauerraum kommt, zieht einen Pierrot aus der Gasse. Der ist eher erschrocken über die Rolle, die er da spielen soll. Elsa kann gar nicht verstehen, was er ihr mit dem Frageverbot abverlangt, sie spielt es nur mechanisch nach. Beim „Gottesgericht“ hat Lohengrin keine Mühe mit dem Samurai: Er schubst ihn einfach, und das urzeitliche Monster bleibt liegen wie ein dicker Käfer. Regisseur Michael Sturm erzählt eine Geschichte der Überforderung. Und tatsächlich war ja die Unerfüllbarkeit der Liebe Wagners Thema im „Lohengrin“. Sie scheitert nicht zuletzt auch am Anspruch, zugleich die Welt zu verändern.(...)

- Bernd Feuchtner / KlassikInfo -

Lohengrin – Das Publikum wird zum Teilnehmer

Die Nationaloper Lviv, Ukraine begeisterte sein Publikum mit einer Neuproduktion des Lohengrin. (...)

Die aktuelle Version vereinnahmt das Publikum als Teilnehmer. Wieder eine neue originelle Lesart des Theaters im Theater! Comedia-dell’arte spielt an der Oberfläche. Der Schwan kommt aus dem Zuschauerraum auf die Bühne wie ein Riesen Weichtier. Die Akteure Heinrich als Märchenkönig, Lohengrin als Pagli-accio, Telramund als Samuraj besuchen verträumte, (sic!) traumatische Frauen, die zwei Gruppen bilden: die blau-haarigen Träumerinnen (wie Elsa) und rot-haarigen Kämpferinnen (wie Ortrud). Elsa erscheint ihr Traummann als Weißclown, der ihr sagt: „Elsa, ich liebe Dich“ und später: „Nie sollst Du mich befragen“. Damit scheitern alle Hoffnungen auf die bedingungslose Liebe. (...)

Dank der schrillen Schönheit der Lichtgestaltung erkennt man nicht sofort, dass dieses „Theater im Theater“ in einer psychiatrischen Klinik spielt. Die Kleider mit überlangen Ärmeln gleichen Zwangsjacken. An einem Ort, an dem der ewige Alltag ins Irreale abdriftet und lang verborgene Erinnerungen in die Realität einbrechen, verlieren sich junge Mädchen in ihre Träume. Im zweiten Akt verbleiben auf der Bühne von achtundzwanzig Krankenbetten nur zwei. Dadurch wirken die Paare Elsa/Lohengrin und Ortrud/Telramund optisch klein und puppenhaft. Die Assoziationen zu Alice im Wunderland liegen auf der Hand. (...)

In Brabant waltet der Heerrufer des Königs als Conférencier. Am Ende ruft er in den Zuschauerraum: „Seht da, den Herzog von Brabant!“. Im ukrainischen Opernhaus „am Vorabend“ der Präsidenten-Wahl mit der Rekordzahl an Bewerbern (39) spannt dieses absurde Theater einen Bogen in die Politik-Groteske. „Wenn wir mit der alten Welt gebrochen haben und die neue noch nicht formen können, tritt die Satire, die Groteske, die Karikatur, der Clown und die Puppe auf“ – diese Zeilen des Dadaisten Raoul Hausman könnte als Schlüssel für diese Inszenierung gelten, die ohne Aktualisierung eine Synthese von Mythos, Comedia-dell’Arte, Psychonalyse, Farce schafft. Die monotone Drehung eines Riesenventilators an der Bühnenwand bildet ein in sich bewegliches Symbol der Zeitlosigkeit.

- IOCO -

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